Donnerstag, 22. Januar 2009

Ich bin HVV

Was sind wir nicht alles. Oder auch nicht. Und warum. Und so. "Wir sind Arbeit" leuchtet uns aus dem Fenster der Zeitarbeitsfirma entgegen. Nur Plagiate, keine Kreativität. "Du bist der Baum". Unbedingt. Wir haben offenbar alle Bretter vorm Kopf. Oder nur Zeit für Zeitarbeit. Hauptsache Zeit.

Ich hatte vorhin auch Zeit. Jede Menge. Also, eigentlich nicht, schließlich fährt der Zug nach Kiel nicht so häufig. Ein Mal in der Stunde. Das muss reichen. Dachte ich mir auch. Und trotzdem konnte ich diesem niedlichen Englisch nicht widerstehen. Diese Sprache lernt man in China nun aber womöglich auch nicht wirklich. Hab ich mir so gedacht. Und da der Zug ja so häufig, ähm, naja, egal. Bin ich doch mal nett. Ausländische Touristen nerven auch nicht so. Das ist ja das, was man in Hamburg schnell beginnt zu lieben. Dieses Wirrwarr aus tausenden verschiedenen Sprachen. Manchmal versteht man was. Manchmal versteht man nichts. Aber man hat immer was zu lachen und zu raten. Touristen sind halt meistens entspannt. Außer sie kommen aus Deutschland. Deutsche kommen irgendwohin und haben immer Ahnung. Sie wissen immer wie man wo hinkommt. Lassen wir die Schwaben und Bayern und Hessen und Sachsen und und und halt in ihrem Glauben. Wenn sie sonst nichts haben.

Diese drei Chinesen, ohne Kontrabass, ja, soll's geben, saßen also nicht auf der Straße sondern umzingelten mich. Da ja aber Waffenverbot auf der Reeperbahn ist, hatte ich keinerlei Angst. Mut lustigem Englisch versuchte man mir zu erklären, was man wollte. Um zu demonstrieren wie lange es dauerte bis ich verstand, was man wollte, werde ich erst übermorgen fortfahren...

Nein, natürlich nicht, übermorgen könnte ich ja Kanadiern geholfen haben. Oder Isländern beim Einführen des Sozialismus'. Und wann soll ich das denn bitte erzählen? Eben. Also, man wollte Drei-Tages-Karten. Für jeden der drei, ein Mann, zwei Frauen, was für die Fahrkarten keinen Unterschied macht, aber ja vielleicht trotzdem eine nette Information ist. Nur eine sprach überhaupt sowas wie Englisch, die anderen beiden nicht. Wobei ich zugeben muss, mein Englisch war auch schonmal besser. Für "gültig" sprudelte fast "guilty" aus mir raus, ich konnte mich bei "gui" aber noch fangen und korrigierte: "valid". Ich bin stolz auf mich.

Plötzlich hatte ich diesen 50er in der Hand und wusste nun gar nicht, was denn nun zu tun sei, zu dem Zeitpunkt wusste ich ja noch nicht genau, was die drei Asiaten wollten. Ich gab ihn aufgeregt wieder zurück. Fehler? Nein! Irgendwann, so nach fast 10 Minuten und zwei verpassten S-Bahnen hatten wir es raus. Ich hatte es raus. Fachmännisch kloppte ich drei Drei-Tages-Tickets, gültig ab heute bis einschließlich Samstag, aus dem Automaten und wollte mich auf den Weg zur Bahn machen. Nach Kiel wollte ich ja immer noch. Die drei bedankten sich, "Thank You", oder ähnliches, konnten die beiden anderen auch und ich stratzte davon. Jedenfalls versuchte ich es. Die Dame mit den schiefen Zähnen und dem noch schieferen Englisch ließ mich aber nicht. Sie kramte in ihrer Tasche, gab dem männlichen Mitreisenden ihre Kamera. Richtig. Ich vergaß. Ein Foto vom Blonden. Für die, die zu Hause warten. Man wird sicher noch in 20 Jahren über mich reden, wenn man die Seite des Fotoalbums mit dem Bild der Hamburg-Reise aufschlägt und sich freuen. "Hach, war der nett" und so. Man kennt es ja.

Ich saß dann doch in der S-Bahn nach Pinneberg. Dann im Zug nach Kiel. Dann im Bus nach Meimersdorf. Und irgendwann dann hier im Keller. Und noch immer freue ich mich über die, zugegeben sehr kurze, Bekanntschaft mit drei Chinesen ohne Kontrabass.

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